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Das Unbehagen des José V.

2009
Installation
Zeichnung auf Wand und Papier, Glas, Gummi, PU-Schaum, PVC-Folie, Text
400 x 220 x 100 cm

Werkschau 09, Kanton Zürich, F + F Zürich


 

 

marti

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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    José Viseu

Die Karriere von José Viseu begann vielversprechend. Sein Biologiestudium schloss der 1783 in Lissabon geborene Portugiese mit Auszeichnung ab. Schon früh lobten Fachkollegen Viseus Arbeiten zum Rankenflusskrebs. 1808 bricht der junge Biologe zu einer Forschungsreise nach Südamerika auf, um die Arten der Tiere, ihre Lebensräume und Vermehrung zu erforschen. Mit Feuereifer stürzt er sich in die Arbeit. Der Städter wühlt sich durch den brasilianischen Dschungel, entdeckt unzählige neue Tiere und Gattungen und arbeitet an deren Klassifizierung. Entlang der Küste unternimmt er geologische Studien, stösst dabei auf Schädel eines Megatheriums und eines Scelidotheriums, beides ausgestorbene Riesenfaultiere. All dies sind für Viseu Mosaiksteine in seinem Studium der Entstehung der Arten.
Immer intensiver setzt sich auch der Gedanke der Veränderlichkeit der Arten im Denken des Portugiesen fest. Schliesslich reist Viseu nach Patagonien weiter, wo er sich auf dem Festland aussetzen lässt, um weiter an seinen Vermutungen über die Veränderlichkeit der Arten zu forschen. Aus dem Feuereifer wird im Laufe der Jahre eine Obsession. Viseu verbeisst sich immer heftiger in seine Ideen. Er will seine Theorien koste es, was es wolle, beweisen. Sein psychischer Zustand wird labiler. Er schwankt zwischen manischen Aktivitätsschüben und wahnartigen Zuständen. Doch die Verneblungen seines Geistes sind nur Phasen. In hellen Momenten beginnt er an einer grundlegend neuen Evolutionstheorie zu arbeiten. Seine geistige Verfassung lässt ihn jedoch immer unzuverlässlicher werden. Er hält sich nicht an Abmachungen mit seiner Mannschaft, bricht eines Tages, ohne jemandem ein Wort zu sagen, zum Tafelberg Tierra del Sur auf. Dort findet er tatsächlich mehrere autark lebende Tierarten.
Seine Mannschaft sucht ihn wochenlang erfolglos. Schliesslich gilt Viseu als verschollen. Tatsächlich ist er jedoch noch am Leben, überlebt jahrelang mehr oder weniger auf sich alleine gestellt in der Wildnis Patagoniens. Mit der Zeit kursieren Bericht von Einheimischen, wonach ein geistig verwirrter weisser Mann durch die Wildnis irre. Doch noch immer hielt der Wahn nicht permanent an, in lichten Momenten erkannte Viseu, die Sprengkraft seiner Ideen. Schliesslich kam es drei Jahrzehnte nach seiner ersten Expedition zu einer schicksalshaften Begegnung. 1833 trifft der Portugiese den englischen Forscher Charles Darwin auf seinen Exkursionen ins Landesinnere Argentiniens. Gemeinsam reisten die beiden zu einem Kratersee, wo sie den Midas-Buntbarsch beobachteten, bei dem es durch sexuelle Selektion zu einer Aufspaltung der Arten kommt.
Die zufällige Begegnung wird für Charles Darwin wegweisend, er übernimmt wichtige Gedankengänge der Evolutionstheorie von Viseu und lässt sie in seine Arbeit einfliessen. Schriftlich überliefert ist die Begegnung der beiden nicht. Viseus Familie erfährt später von Einheimischen, dass Viseu kurze Zeit nach dem Treffen an einer unbekannten Krankheit gestorben sei. Charles Darwin lässt Viseus Theorien in seine Schrift „On the Origin of Species“ einfliessen. Allerdings fühlt er sich nicht ganz wohl dabei, dass er die Arbeiten des unbekannten Portugiesen zu seinem Nutzen verarbeitet. Erst 20 Jahre nach der Rückkehr publiziert Darwin die Schrift „On the Origin of Species“ (1858/59), nicht zuletzt weil er fürchtete, ein Konkurrent könnte ihm zuvorkommen.